FASTGraphs - Charttechnik mal anders

26.07.2014

Viele Investoren benutzen Charts von Aktienkursen als wichtiges Hilfsmittel. Profis nutzen ausgefeilte Techniken, um den wahrscheinlichen weiteren Verlauf von Aktienkursen, oder ganzer Indizes, vorauszusehen. Sie ermitteln dank Charttechnik Kauf- und Verkaufszeitpunkte, sehen Unterstützungszonen und Widerstände. Was Profis aus Charts lesen können ist manchmal ganz erstaunlich – und für den nicht-professionellen Anleger nicht wirklich nachvollziehbar.

Im einfachsten Fall stellt ein Chart den Verlauf des Aktienkurses über einen bestimmten Zeitraum dar, so wie das Beispiel hier: Die Grafik (erstellt mit de.finance.yahoo.com) zeigt, wie sich der Kurs der Microsoft-Aktie von 1994 bis Mitte 2014 entwickelt hat: Von 2.6 Dollar auf 41.72.

 

Es ist spannend zu sehen, wie sich der Kurs in etwa sechs Jahren auf das Zwanzigfache des ursprünglichen Kurses entwickelt hat, um dann wieder einzubrechen und zwölf Jahre vor sich hinzudümpeln. Und was ist nun vom deutlichen Anstieg zu halten, welcher 2013 eingesetzt hat? Wird das so weitergehen? 

Zu dieser wichtigen Frage schweigt sich die Grafik komplett aus – wie könnte sie auch etwas dazu zu sagen haben!

Was treibt den Kurs einer Aktie?

Aktien werden gehandelt, und Handeln heisst: Anbieten und Nachfragen. Wird eine Aktie stark nachgefragt, so steigt ihr Preis, und andersherum, wenn niemand eine bestimmte Aktie haben will und alle nur verkaufen wollen, fällt der Preis. 

Innovative Firmen, welche happige Verluste erwirtschaften, werden oft zu Fantasiepreisen gehandelt, weil viele Anleger glauben, dass die Firma irgendwann einmal grossartige Gewinne schreiben wird. Diese Euphorie schafft Nachfrage, und Nachfrage treibt den Preis. 

Anders sieht es in einer Krise aus: Alle sind überzeugt, dass es nur noch schlecht laufen wird, dass die Firmen in Zukunft keine oder kleinere Gewinne erwirtschaften werden. Anlageberater raten vom Kauf von Aktien ab und, guess what, die Aktienpreise beginnen zu fallen. Die Nachfrage nach Aktien fällt, die Angst steigt, es gibt an der Börse plötzlich mehr Verkäufer als Käufer, also müssen die Preise fallen. 

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis: das gilt aber nur kurzfristig. Langfristig ist es ein ganz anderer Faktor, welcher den Preis einer Aktie treibt: Der Gewinn, den eine Firma erwirtschaftet. Nach einer gewissen Zeit, wenn die Euphorie verflogen ist, oder übermässige Angst einer gewissen Vernunft gewichen ist, richtet sich das Augenmerk aller auf das, was unter dem Strich bleibt. Langfristig, das ist ganz einfach, folgt der Aktienkurs dem Gewinn, den die Firma schreibt. 

Kurzfristig treiben zwar Angebot und Nachfrage den Kurs, aber auf lange Sicht ist es der Gewinn, der den Wert der Aktie bestimmt. Da wir langfristig investieren, muss sich unser Augenmerk also weg vom bunten Treiben der Börse und hin zur fundamentalen Situation der Firma wenden. 

In den herkömmlichen Charts findet man keine Angaben zu den fundamentalen Daten, welche langfristig den Kurs einer Aktie bestimmen. 

FASTGraphs: Komplette Information auf einen Blick 

Sie finden FASTGraphs hier: www.fastgraphs.com. Der Dienst ist nicht kostenlos, Sie erhalten aber einen kostenlosen Testzugang für 14 Tage. FASTGraphs wurden von Chuck Carnevale entwickelt, einem Investor und Autor mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Als ich zum ersten Mal eine FASTGraph sah und sie mir kurz erklärt wurde, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das ist es! Jetzt verstehe ich blitzartig, weshalb sich Aktienkurse in eine bestimmte Richtung entwickeln, und ich sehe mit einem Blick, ob eine Aktie zu einem vernünftigen Preis oder völlig überteuert angeboten wird. 

FASTGraphs schafft dies, indem in der Grafik zum Aktienkurs weitere wichtige Daten abgebildet werden. Vor allem verschafft uns die Grafik einen sofortigen Überblick über die Gewinn- und Dividendenentwicklung. 

Sehen Sie sich die Grafik für Microsoft an, für den Zeitraum der letzten 14 Jahre.

 

Diese dichte Darstellung benötigt etwas Erklärung: 

  • Schwarze Linie: Aktienkurs
  • Grüne Fläche: Gewinn pro Aktie
  • Türkisfarbige Fläche: Ausbezahlte Dividenden
  • Rosa Linie: Ausbezahlte Dividenden
  • Blaue Linie: das im angezeigten Zeitraum durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV, P/E)

Der Infoblock rechts der Grafik zeigt weitere wichtige Informationen an:  

  • Aktuelles KGV: 15.4
  • Aktuelles Dividendenrendite: 2.7%
  • Jährliche Wachstumsrate (des Gewinns): 9.6%
  • Und noch einiges mehr…

Unterhalb der Grafik sehen Sie  

  • den Gewinn pro Aktie (EPS)
  • Differenz zum Vorjahr in %
  • Ausbezahlte Dividenden (DIV)

Wie ist die Grafik nun zu interpretieren? Ganz einfach! Solange die schwarze Linie – der Aktienkurs – sich in der grünen Fläche bewegt, ist die Aktie fair bewertet, oder eventuell sogar unterbewertet. Im Beispiel oben ist dies von 2009 bis 2013 klar zu sehen. Steht der Kurs, wie von 2000 bis 2008, über der grünen oder türkisfarbigen Linie, ist die Aktie überbewertet. Und anfangs 2000 war sie hoffnungslos überbewertet! 

Wenn Sie etwa fünf solche Grafiken gesehen haben, wissen Sie blitzartig Bescheid, wie es um die Firma und den Aktienkurs steht. Schauen wir uns also noch einige Beispiele an.

Johnson & Johnson


Beeindruckend, wie dies Firma Jahr für Jahr, auch durch die grosse Rezession 2008/09 hindurch, den Gewinn pro Aktie steigern konnte. Der Kurs der Aktie folgt der Gewinnentwicklung nicht genau: Manchmal liegt der Kurs über, dann in der grünen Fläche, aber es bestehen kaum Zweifel, wohin sich der langfristige Aktienkurs entwickeln wird. 

Kommt hinzu, dass sich die Dividende ebenfalls nur aufwärts bewegt hat… 

Wer Kaffee trinkt, kennt Starbucks.

 

Ganz offensichtlich ist Starbucks eine beliebte Aktie: Die Nachfrage oder Euphorie rund um die Firma hat bewirkt, dass die Aktie eigentlich immer zu hoch bewertet wurde. Aktuell liegt der Kurs beim 30-fachen des Gewinns pro Aktie: Das ist schon eine stolze Bewertung. Historisch gesehen war es 2006 ganz schlimm mit der Überbewertung. Wenn Sie in Starbucks investieren wollen, ist es schwierig, die Aktie zu einem günstigen Preis zu kaufen. Das war gerade mal 2009, auf dem Tiefpunkt der Finanzkrise möglich – weil einfach fast niemand etwas mit Aktien zu tun haben wollte damals. 

Die Grafik von Whole Foods Markets zeigt, wie es solchen stolz bewerteten Firmen gehen kann:


Irgendwann kommt die schwarze Linie wieder runter zur grünen Fläche. Da helfen auch die Dividenden nicht weiter.

Wann ist es bei Tesla soweit, dass der Kurs fällt? Das sagt die Graphik nicht, aber soviel ist gewiss: Sollte die Euphorie rund um den Hersteller von Elektroautos aus irgendeinem Grund verfliegen, dann kommt der Kurs herunter, und zwar im grossen Stil!

 

Vielleicht macht langfristig eine Aktie wie Coca Cola doch mehr Freude, wer weiss:

 

Langweilig, aber zuverlässig. Selbst eine schwere Krise kann dem Gewinn und der Dividende einer solchen Firma nichts anhaben, wie diese Grafik zeigt. Jedenfalls zeigt eine weitere Funktion von Fastgraphs, wie sich investiertes Kapital über den angezeigten Zeitraum entwickelt hat: Wurden die Dividenden reinvestiert, so war das Geld mit 5.1% Rendite angelegt.


Jedenfalls ist es den Aktionären von Coca Cola besser ergangen als jene von KB Home, einer amerikanischen Hausbau-Firma. Die kam ab 2007 natürlich voll unter die Räder, nachdem die Immobilienblase in den USA geplatzt war.

 

Allerdings, so gravierend ist der Unterschied nicht: Bei Coca Cola wurden in 14 Jahren aus 10‘000 gut 20‘400 Dollars, bei KB Home waren es „nur“ 18‘700. Aber für die Nerven ist Coke wesentlich schonender, trotz des Koffeins…

Der Unterschied zwischen Coke und KB Home ist jedoch der: Coke ist krisenresistent, während man das von KB Home ganz bestimmt nicht behaupten kann. Der Gewinn brach während der Krise komplett weg, jahrelang schrieb die Firma Verluste, und es vergingen rund sechs Jahre, bis die Firma in die Gewinnzone zurückkehrte. Die Dividende schrumpfte ebenfalls auf einen Zehntel des früheren Werts. Vor diesem Hintergrund hat sich der Aktienkurs erstaunlich gut gehalten. 

All diese komplexen Zusammenhänge sehen Sie in dieser einen Grafik, ohne irgendein weiteres Dokument studieren zu müssen. Alles liegt völlig klar vor Augen. Danke, Chuck: FASTGraphs sind eine Meisterstück. Gerade weil die Gesamtsituation blitzschnell und mühelos verstanden werden kann, besteht die Gefahr, zu übersehen, wie unglaublich mächtig dieses Werkzeug ist. 

Einziger Wermutstropfen: FASTGraphs gibt es bis jetzt nur für US-amerikanische und kanadische Aktien. Trotz Nachfrage beim Anbieter ist zurzeit unklar, ob europäische Aktien irgendwann abgedeckt werden.

Zum Schluss noch ein Blick auf die amerikanische Kultaktie Nummer 1: Apple.


Wenn es stimmt, dass eine Aktie unterbewertet ist, deren schwarze Linie so tief im Grünen liegt, na, dann kann man sich als Apple-Aktionär nur freuen! Der Gewinn pro Aktie ist vor einigen Jahren unglaublich angestiegen, zudem zahlt Apple jetzt eine Dividende, welche ebenfalls zunimmt. Aber das spiegelt sich noch nicht wirklich im Aktienkurs.

Trotzdem ist es den Apple-Aktionären nicht wirklich schlecht gegangen, wie die Kalkulation unten zeigt:


Eine Rendite von 25% über 14 Jahre: aus 10‘000 Dollars werden so 257‘675 Dollars. Schade nur, dass ich nicht weiss, welche Firma der nächste Apple sein wird, denn ich habe 2000 nicht in Apple investiert… 

Kommentar(e)

Die Kommentarfunktion ist zurzeit wegen "Spammer-Besuchs" aus Russland ausgeschaltet